Vor sieben Tagen bin ich nach einer längeren und relativ ereignislosen Zugfahrt über Köln, Brüssel und London hier in Cambridge angekommen, und so langsam wird es Zeit für einen kleinen Bericht. Ich versuche mal das Erzählenswerte thematisch zu sortieren.
Ich hatte mich schon vor einigen Wochen nach Zimmern umgeschaut und dann über die Wohnungsvermittlungswebsite der Universität ein Zimmer gefunden. Es ist eines der typischen britischen Reihenhäuser, für mich sehr geschickt gelegen (direkt neben einem großen Supermarkt, und Bahnhof und Microsoft Research in weniger als 10 Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen). Ich teile es mir mit vier Master- und Ph.D. Studenten aus England, Deutschland und irgendwo her (jenen sieht man auch praktisch nie), und komme soweit mit allen gut zurecht, inkl. gemeinsam Essen bestellen und XBox zocken. Die Sauberkeit entspricht etwa dem, was ich aus der Insterburg gewohnt bin.
Mein erster Eindruck des Zimmers war nicht so gut: Klein, ein Fenster zur Straße hin, das zum vernünftig Lüften zu klein ist (was man roch) und vor allem der war darin – gut versteckt – der Kessel der Gasheizung, der laufend geräuschvoll ansprang. Aber man gewöhnt sich an vieles...
Muss man aber nicht: Zwei Tage später war ein Mitbewohner etwas verwirrt als ich meinte dass ich auf Grund der Beschreibung und dem Bild auf der Wohnungsvermittlungsseite dachte dass ich in das Zimmer ziehe das die Frau bewohnt hat, die vor mir hier im Haus gewohnt hat. Aber die wohnte nicht in dem Zimmer in dem ich wohnte, als ich einzog, sondern in dem Zimmer, in dem da der andere Mitbewohner wohnte, welcher ursprünglich im kleinen Zimmer wohnte. Alles klar soweit? Der war dann überrascht dass ich dachte dass ich das Zimmer bekomme in dem er zu dem Zeitpunkt wohnt, fand es aber schon komisch dass ob für das kleinere Zimmer die Miete des größeren zahlen solle (immerhin 50£ Unterschied).
Ich hatte zwar gedacht, dass das alles so seine Richtigkeit hat – schließlich hat die Vermieterin einem Bekannten von mir, der in Cambridge wohnt und den ich zur Zimmerbesichtigung in die Brooks Rd schickte, auch schon das kleine Zimmer gezeigt. Andererseits war ich mir sicher dass die Zimmerbeschreibung, die ich gelesen hatte, nur auf das größere Zimmer passt.
Er fragte dann bei der Vermieterin nach, was denn nun Sache sei und tatsächlich: Ich sollte das größere Zimmer bekommen. Es war also alles nur ein Missverständnis (wenn auch ein vielleicht billigend in Kauf genommenes – wer weiß). Also flugs Zimmer getauscht und nun habe ich ein größeres Fenster, Blick auf den Garten und kein Heizungskessel neben dem Bett.
Ganz toll ist das Zimmer aber trotzdem nicht (wobei da die anderen nicht besser sein werden): Nachts wird die Heizung abgestellt und da wurde es schon arg kalt, so dass ich vorgestern um halb 5 aufwachte und frierend nicht mehr einschlafen konnte, bis ich dann einen dicken Pulli angezogen hab. Aber gerade komme ich vom Sainsbury mit der dicksten Decke, die sie hatten, zurück; damit sollte auch das klappen.
Ansonsten ist das Haus auf einem Stand wie man ihn erwartet, wenn man ein eher günstiges Zimmer in guter Lage erwischt (und dafür wohl wieder ganz gut). Die Dusche läuft warm, aber wenig, Küchengeräte etc. sind vorhanden (der Geschirrspüler ist kaputt), und dass ich meinen Rasierer im Bad nur mit Verlängerungskabel verwenden kann ist wohl in ganz England so – 230V-Steckdosen sind hier in Bädern verboten.
Ich hab ein paar Bilder von Zimmern und Haus hochgeladen.
Da ich mein Laptop mitgebracht hatte war das das nächst wichtigste, was ich noch brauchte, ein Fahrrad. Hier hab ich mir den Luxus eines Mietrads gegönnt, statt lange nach günstigen gebrauchten zum Kaufen und Wiederverkaufen zu suchen – insbesondere da, was ich später erfuhr, Microsoft Research die Kosten übernimmt. Das Rad hat Bremsen, Stecklichter und ein Schloss und fährt sich sehr gut, so dass es eine Freude ist, damit über die weitgehend flachen Straßen von Cambridge zu düsen. Mit dem Linksverkehr klappt es soweit auch ganz gut, lediglich in Situationen wie z.B. beim Ausweichen auf Radwegen muss ich gut aufpassen.
Fast wie zu Hause: Abendbrot mit Käse und Salami (das Brot kann mit unserem natürlich nicht mithalten, aber für eine Weile tuts es), Mittags in der Kantine (sowohl preislich als qualitativ mit dem MRI in Karlsruhe zu vergleichen), nur zum Frühstück gehe ich mit der britischen Kultur auf Tuchfühlung und bin auf Porridge, also Haferbrei, umgestiegen.
Ich hatte eigentlich schon erwartet dass man bei Microsoft Research Zugriff auf einen Snacks oder zumindest frisches Obst hat, und Getränke gibt es ja schließlich auch kostenlos, aber dem ist nicht so. Also musste ich mir selber helfen und einen Karottenvorrat im Bürokühlschrank anlegen.
Microsoft Research hat seine Cambridger Niederlassung in einem niegelnagelneuen Haus in der Station Road (auch hier hab ich ein paar Bilder für euch), entsprechend schick und modern ist das Gebäude: Ein heller Lichthof, viele Wände aus Glas oder (um die Büros herum) Milchglas, die gleichzeitig als Tafelflächen dienen, eine schöne Dachterrasse mit weitem Blick (leider dafür die falsche Jahrszeit). Die Büros selbst, auch von so Persönlichkeiten wie Tony Hoare, sind eher klein, verglichen mit was man von der Uni Karlsruhe kennt, aber immerhin mit schönem Ausblick. Die Interns bekommen nur einen Schreibtisch in der „Open Work Area“ mit Blick in den Lichthof, wo man den Interns auf der anderen Seite beim Arbeiten zuschauen kann. Hier vermisse ich den augenentspannenden Blick in die Ferne, gerade wenn man den ganzen Tag auf seinen Laptop starrt.
Ich hatte ein bisschen Kontakt mit anderen Interns und am Dienstag Abend wurde eine Intern-Movie-Night veranstaltet, was dann hieß dass wir uns zu Viert im großen Auditorium des Gebäudes, was schon einen gewissen Kino-Charakter hat, „Clockwork Orange“ anschauten. Für mich war der Film sicherlich eine gute Einführung in Britische Umgangsformen.
Ich wollte gut vorbereitet sein und bestellte mir eine SIM-Karte noch von Deutschland aus. Der (deutlich!) günstige Prepaid-Tarif war von 3 (was ein unglaublich generischer Name für eine Firma ist), und die Karte war dann auch am Freitag Abend auf dem Tisch im zu dem Zeitpunkt meinem Zimmer. Nur ist mein Handy (ein Siemens S35) leider leider zu alt für diese Art von SIM-Karte; da muss es schon ein 3G-Handy sein. Ich vermute dass das das Geschäftsmodell ist: An Leuten die nur Telefonieren werden sie mit 2p pro Minute nicht viel verdienen, und so hoffen sie wohl darauf, dass die Leute mit ihren Smartphones viel Daten verbraten. Ergo wollen sie Kunden ohne Smartphone gar nicht haben. Ich habe mir inzwischen eine andere SIM-Karte bestellt, die bald eintreffen sollte; die 10£ Guthaben für 3, die ich gekauft hatte, hatte ich noch nicht eingelöst und konnte ich zum Glück weiterverkaufen.
...habe ich noch gar nicht gesehen. Am Wochenende war eine Debian-Mini-Konferenz in den Räumlichkeiten von ARM, und sonst war ich tagsüber schön brav arbeiten. Die touristische Erkundung der Stadt ist für dieses Wochenende geplant.
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Auch schon beans and bacon zum Frühstück probiert?